Josef-Görres-Platz 2

56068 Koblenz

Casinoball 2025

25.01.2025

Festakt »210 Jahre Casino zu Coblenz«   
der an die Gründung im Januar 1808 erinnert,   

am 21. März 2018 um 19.00 Uhr 
im 
Kaisersaal 
im Schloss zu Koblenz 

Als Festredner konnten wir Herrn

Bischof
Dr.Dr.h.c. Markus Dröge

gewinnnen. 
Sein Vortrag trug die Überschrift:

»Betrachtungen in bewegten Zeiten«

Bischof Dr. Dr. h.c. Markus Dröge
Betrachtungen in bewegten Zeiten
Festakt – 210 Jahre Casino zu Coblenz – 1808 – 2018

I.
Gegründet in bewegten Zeiten
„Es waren unruhige Zeiten, als das Casino zu Coblenz im Dezember 1807 und im Januar 1808 aus der Taufe gehoben wurde.“ So, meine sehr verehrten Damen und Herren, lautete der erste Satz der Sonderbeilage der Rheinzeitung zum 200. Jubiläum des Casino zu Koblenz vor zehn Jahren, im Jahr 2008. Unruhige Zeiten, wahrlich. Das Schloss, in dem wir heute feiern, war gerade erst einmal gut 20 Jahre alt, das Theater noch ein Jahr jünger – zwei repräsentative Gebäude, die gebaut worden waren, um eine stolze Botschaft zu verkündigen: die kurtrierische Residenzstadt Coblenz würde eine noch bedeutendere Rolle spielen als zuvor. Doch dann kam sehr schnell alles anders. Schon acht Jahre nach Fertigstellung des Schlosses, im Jahr 1794 wurde die kurfürstliche Regierung durch die Franzosen aufgehoben. 1808 war die Zeit, Sie erlauben mir als ehemaligem Pfarrer der Florinskirche darauf hinzuweisen, in der das Inventar dieser würdigen Stiftskirche, in der einst Nikolaus von Kues Dechant war, verkauft wurde, verramscht; von 1807 bis 1811 hat diese Zeit des Ausverkaufs gedauert. 
Wir brauchen nicht viel Fantasie, um uns vorzustellen, wie die Bürgerinnen und Bürger von Koblenz sich in diesen Jahren gefühlt haben. Eine altehrwürdige Ordnung war einfach weggefegt worden. Das Neue, das Kommende hatte noch keine verlässliche Kontur. Und in einer solchen bewegten, von Unsicherheiten geprägten Zeit, fanden sich Bürgerinnen und Bürger, die bereit waren, im Geist der Freiheit Verantwortung zu übernehmen: „Freiheit, Urbanität und Eintracht“ waren die drei Begriffe mit denen das Casino zu Coblenz sein Profil definierte. Die Pflege des kulturellen Lebens, Bildungsarbeit, Konversation und Diskussion, gesellschaftliches Leben, darum ging es – und darum geht es. Das Casino zu Coblenz hat sich bis heute durch die Zeiten hindurch dieser Tradition verpflichtet gefühlt. Nur in der Zeit dumpfer Geistlosigkeit, während des Nationalsozialismus, als nationalistische Rechtspopulisten an die Macht gekommen waren, wurde die Arbeit verboten. „Das Casino muss verschwinden“ war die Parole des Koblenzer Gauleiters. Und so war es. Die Arbeit wurde gleichgeschaltet. Aber dabei ist es – gottlob! – nicht geblieben. Nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft konnte die Casino-Arbeit nach 1945 wieder aufgenom-men werden. Und in diesem Jahr 2018 können Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, das 210. Jubiläum feiern. Sie stehen in einer ehrwürdigen Tradition: Bürgerliches Engagement im Geist der Freiheit, der Urbanität und der Eintracht – dies zu pflegen und fortzuführen das ist Ihr Auftrag. 

II.
Bewegte Zeiten heute
Jede Zeit hat ihre eigene Prägung. Und Geschichte wiederholt sich nicht. Jede Generation hat neu die Verantwortung, zu fragen, wo sie steht und was sie zu tun hat. Leopold von Ranke, der große preußische Historiker und Mitbegründer der modernen Geschichtswissenschaft, hat es so gesagt:  „Jede Epoche ist unmittelbar zu Gott, und ihr Wert beruht … in ihrer Existenz selbst, in ihrem Eigenen selbst“. Und deshalb haben auch Sie die Verantwortung, heute neu zu Fragen, wie Sie die Tradition und den Auftrag der Casino-Gesellschaft aktuell leben und fortführen wollen. 
Auch heute empfinden viele Bürgerinnen und Bürger die Zeiten als bewegt. Aber natürlich können wir die Gründungszeit des Coblenzer Casinos nicht einfach mit der Gegenwart vergleichen. Wir leben heute – gottlob! – nicht in einer so grundlegenden Zeitwende wie vor 210 Jahren. Unsere demokratische Grundordnung ist gefestigt. Unsere gesellschaftlichen Institutionen sind etabliert und haben sich in den letzten 70 Jahren, seit Ende des Nationalsozialismus, in der westlichen Bundesrepublik bewährt und seit dem Fall der Mauer auch in den neuen Bundesländern. Was aber führt dann heute dazu, dass Menschen die Zeiten als bewegt, ja verunsichernd erleben? Warum hat sich bei manchen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes ein Gefühl der Sorge, der Unsicherheit, ja, der Verlorenheit breit gemacht? 
Meine Landeskirche erstreckt sich über die dynamische und wachsende Metropole Berlin und über das Land Brandenburg bis in die schlesische Oberlausitz, das heißt rund um die Stadt Görlitz. In Brandenburg und in Görlitz hat die rechtpopulistische Partei, die die Grenze zum Rechtsextremismus nicht klar zieht, überproportional viele Stimmen bei der Bundestagswahl 2017 bekommen. 33 Prozent der Zweitstimmen zum Beispiel in Görlitz. Dort ist sie die stärkste Partei geworden. Zwar wollen 60 Prozent der rechtspopulistischen Wähler gar nicht, dass die Partei, die eine Alternative zu unserer freiheitlichen Gesellschaft propagiert, wirklich Regierungsmacht bekommt. Es wird aus Protest gewählt und mit dem Feuer gespielt. Unzufriedenheit soll ausgedrückt werden. In den östlichen Bundesländern wird gar unser demokratisches System mit dem kommunistischen System der DDR verglichen. System gleich System. Und wie man das eine ablehnte, so nun auch das andere. Vielfach wird nicht mehr geglaubt, dass die liberale Demokratie in der Lage sei, die Probleme der Gegenwart zu lösen. Braucht es nicht neue autoritäre Führungspersönlichkeiten und eine neue, straffere Ordnung, um unser Deutschland in einer sich globalisierenden Welt zu erhalten? – Nicht nur in Dresden, jetzt auch in Cottbus gehen Menschen auf die Straße, weil sie kein Vertrauen mehr in die aktuelle Gesellschafts- und Regierungsform haben. Menschen, die der Mut verlassen hat, werden zu Wutbürgern. Töne werden wieder laut, die an die dunkelste Zeit unserer deutschen Geschichte erinnern. 
Woran liegt es? Die Gründe sind vielfältig und Vereinfachungen oder gradlinige Schuldzuweisungen helfen nicht. Dennoch wird man sagen können: Es ist ein dumpfes Gefühl der Angst, die in Wut um-schlägt: Angst vor dem eigenen gesellschaftlichen Abstieg. Angst vor dem Verlust der vertrauten Heimat in einer sich globalisierenden Welt, die Veränderungen von uns abverlangt, ob wir es wollen oder nicht. Angst vor dem Fremden und den Fremden. Und diese Angst ist besonders dort am größten, wo bisher am wenigsten Erfahrungen mit Fremden gemacht worden sind – wie in Dresden und in Cottbus, und wo die negativen Projektionen und durch Fakten nicht belegbare Verschwörungstheorien deshalb den besten Nährboden finden. Europa – bislang ein hoffnungsvolles Friedensprojekt wird als Bedrohung der eigenen Stabilität empfunden. Und der Blick über den deutschen Tellerrand in die europäischen Nachbarländer zeigt, dass es dort Populisten gelingt, die Errungenschaften der bisherigen europäischen Einigung kleinzureden und den Nationalegoismus wieder stark zu machen. 
Von Berlin aus erlebe ich all diese Entwicklungen hautnah mit. Denn wir haben enge Partnerschaften mit der Diözese London, mit den polnischen Lutheranern und wir erleben die Diskussionen in Ungarn zum Beispiel auf den osteuropäischen Begegnungstagen der Evangelischen Kirchen. Im Austausch mit unseren Partnerkirchen bekommen wir mit, wie sich das gesellschaftliche Leben in anderen europäischen Ländern in den letzten Jahren dramatisch verändert hat. Wenige Tage nach der Brexit-Entscheidung habe ich einen Brief vom Bischof von London erhalten, in dem er sein großes Bedauern über diese Entscheidung zum Ausdruck gebracht hat und seinen Wunsch geäußert hat, unsere Partnerschaft nun umso intensiver zu leben. Vorgestern hat die neue Bischöfin von London meine Einladung angenommen, am 24. März 2019 im Berliner Dom zu predigen. Denn nach Angaben der britischen Regierung soll der Brexit am 29. März 2019 um 23 Uhr britischer Zeit rechtskräftig werden. Wir wollen genau in dieser Zeit ein Zeichen der Verbundenheit setzen. Mit unserer polnisch-lutherischen Partnerkirche verbindet sich eine wunderbare Versöhnungsgeschichte. Wir pflegen inzwischen gemeinsam das evangelisch-schlesische Erbe, in Görlitz und in den lutherischen Kirchen des Bistums Breslau, zum Beispiel in der herrlichen Friedenskirche in Jauer, wo wir im vergangenen Jahr mit einem großen Fest 20 Jahre Partnerschaft gefeiert haben. Diese deutsch-polnische Kirchenpartnerschaft pflegen wir heute sehr innig und sehr bewusst, gerade weil die politischen Beziehungen zwischen Polen und Deutschland zurzeit angespannt sind.  
Wir leben in bewegten Zeiten. Wir müssen auch mit Sorge auf die besorgniserregende Lage vieler Staaten an den Rändern Europas schauen. Als Mitglied des Rates der EKD habe die Aufgabe übertragen bekommen, mich um das evangelische Engagement in den Staaten des Mittleren Ostens zu kümmern. Mittlerer Osten im Sinne von „Middle East“ – wir würden sagen im „Nahen Osten“: in Syrien und im Libanon, in Jordanien und im Irak, in Palästina, in Israel und in Ägypten.  
Im Oktober vergangenen Jahres, gegen Ende des Reformationsjubiläumsjahres, waren die ortho-doxen Patriarchen der Kirchen des Mittleren Ostens bei uns in Berlin zu Gast, auch Papst Tawadros II von der koptisch-orthodoxen Kirche in Ägypten.  
Eindrücklich haben die Patriarchen die Situation der Christen im Mittleren Osten beschrieben, in den Ursprungsländern des Christentums. Über Jahrhunderte ist dort das Zusammenleben der Religionen gut oder zumindest angemessen gelungen. Jetzt müssen wir von einer Situation äußerster Bedrängnis sprechen. Wir müssen der traurigen Tatsache in die Augen schauen, dass das Christentum zurzeit in dramatischer Weise aus vielen seiner Ursprungländer vertrieben wird. Aber viele Christen finden bei uns in Deutschland Aufnahme. Im vergangenen Sommer habe ich die Zentren der koptisch-orthodoxen Kirche in Höxter und der syrisch-orthodoxen Kirche in Warburg besucht. In beeindruckender Weise pflegen unsere orthodoxen Mitchristen dort die Traditionen ihrer Kirchen. Sie tun es hier bei uns in Deutschland. Der noch sehr junge syrisch-orthodoxe Bischof für Deutschland Matthias Nayis, ein in Schweden im Exil aufgewachsener Mann, der dann noch als Jugendlicher nach Damaskus gegangen ist, um syrisch-orthodoxer Priester zu werden, vermittelt nun in dem ehemaligen Dominikanerkloster in Warburg in Westfalen, das er übernommen hat, den jungen Menschen seiner Kirche, die hier in Deutschland leben, die syrischen Liturgie in aramäischer Sprache, die Sprache, die auch Jesus gesprochen hat. Er bildet junge Priester aus und lädt die syrisch-orthodoxen Familien aus ganz Deutschland zu großen Familientreffen in sein Kloster nach Warburg ein. Er bewahrt hier bei uns in Deutschland die Tradition seiner syrischen Kirche auf Hoffnung hin … damit dann, wenn es wieder möglich sein wird, in Syrien als Christ menschenwürdig zu leben, auch Christen da sind, die dann zurückkehren können, um das kirchliche Leben wieder aufzubauen. Wer zu schnell und zu populistisch über syrische Flüchtlinge negativ redet, sollte sich durch diese Fakten eines Besseren belehren lassen. Was Manchem Angst macht, ist in Wahrheit auch ein Zeichen der Hoffnung!  
Ja, wir leben in bewegten Zeiten. 
III.
Die Rolle der Kirchen
Und was ist die Rolle, die die christlichen Kirchen bei uns in Deutschland in dieser bewegten Zeit zu spielen haben? Wir haben von unserer Botschaft her den Auftrag, für Verlässlichkeit einzustehen, für das Evangelium, für die Botschaft der Menschlichkeit, für die Werte der Gemeinschaft, für eine soziale Gesellschaft, die die Würde und Rechte jedes Einzelnen achtet. 
Ich bin zunächst sehr dankbar dafür, dass es in einer ungeahnt erfolgreichen Weise gelungen ist, das vergangene Reformationsjubiläumsjahr 2017 im Geist der Ökumene zu feiern. Gab es anfänglich bei unseren römisch-katholischen Glaubensgeschwistern Bedenken, 500 Jahre Reformation mitzufeiern – der skeptische Spitzensatz lautete: „Kann man die Sünde feiern?“ – gemeint war die Sünde der Trennung – so wurde doch im Laufe des gemeinsamen Weges deutlich, dass wir dieses Jubiläum gemeinsam als Christusfest feiern konnten, dass wir Gottesdienstes feiern konnten, um die Verletzungsgeschichte zu heilen, dass wir Schritte aufeinander zugehen und uns gemeinsam den Herausforderungen der bewegten Gegenwart stellen konnten. 
Im Februar vergangenen Jahres habe ich die überaus herzliche Audienz für den Rat der EKD beim Papst in Rom miterlebt, bei der Franziskus folgende Worte sagte: 
„Wir wissen – in der Wirklichkeit der einen Taufe, die uns zu Brüdern und Schwestern macht, und im gemeinsamen Hören auf den Geist – in einer bereits versöhnten Verschiedenheit die geistlichen und theologischen Gaben zu schätzen, die wir von der Reformation empfangen haben.“ … Und er schloss mit den Worten: Ich bitte „den Heiligen Geist, der Einheit schafft und erneuert, Sie auf Ihrem gemeinsamen Weg mit dem Trost, der von Gott kommt (vgl. 2 Kor 1,4), zu kräftigen und Ihnen seine prophetischen und kühnen Wege aufzuzeigen….“
Prophetische und kühne Wege zu gehen, das ist Aufgabe der Christenheit in bewegten Zeiten. 
Der Kirchentag in Berlin war ein großes, auch ökumenisches Ereignis, bei dem wir durchaus prophe-tisch und kühn in der Bundeshauptstadt zeigen konnten, dass wir für eine offene Diskussionskultur stehen und dass wir unsere Botschaft und unsere ethischen Werte selbstbewusst in die Diskussionen der bewegten Zeit einbringen wollen und können. 
Wir haben das Reformationsjubiläum nicht als internes Kirchenfest gefeiert, erst recht nicht als „Protestanten-Party“ sondern als ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem deutlich wurde, wie stark unser Land und die Art wie wir die Gesellschaft gestalten,  a u c h  von der Tradition der Reformation bestimmt ist. Wir haben es im Dialog mit Juden und Muslimen und europaweit gefeiert. Ein hellblauer Sattelschlepper hat 68 europäische Städte angefahren, in denen die Reformation eine Rolle gespielt hat, und wir haben auf diese Weise bewusst gemacht, dass das reformatorische Erbe eine Kraft ist, die Europa zusammenhalten kann und soll. 
Ich habe überall, wo ich im vergangenen Jahr anlässlich des Reformationsjubiläums gesprochen habe, gespürt, dass die Botschaft von der doppelten Freiheit eines Christenmenschen: Frei im Gewissen vor Gott, und befreit, dem Nächsten zu dienen, dass diese Botschaft verstanden und als äußerst relevant für uns heute gewertet wurde. Auch und gerade bei den vielen Atheisten im Bereich meiner Kirche. Denn Gewissensfreiheit und Einsatz für das Gemeinwohl, das ist es, was wir gerade in den aktuell bewegten Zeiten brauchen. Und deshalb wäre es ein gutes Zeichen, wenn der Reformationstag ab jetzt ein bundesweiter Feiertag würde. Nicht als Protestantenparty, sondern als ein Gedenktag, der auf eine der wichtigen Grundlagen unserer freiheitlichen Gesellschaft aufmerksam macht. 

Und wie sollen sich die Kirchen zu dem erstarkten Rechtspopulismus und Rechtsextremismus verhalten?
Die katholische wie die evangelische Kirche haben sich seit dem Aufkommen des Rechtspopulismus sehr klar und erkennbar gegen jede Form von Menschenverachtung ausgesprochen. Wo es um die Menschenwürde und die Menschenrechte aller Menschen, unteilbar und unbegrenzt, geht, da sprechen katholische und evangelische Kirche mit einer Stimme und machen sehr klar, dass Hass, menschenverachtende Thesen, Rassismus in jeder Form, mit einer christlichen Grundhaltung nicht zu vereinbaren sind. Die Position der Kirchen ist klar: Wer das Christentum für menschenverachtende Haltungen in Anspruch nehmen will, lästert Gott. Das Christentum ist ohne Jesus Christus nicht zu haben. Und Jesus Christus hat sehr eindeutig die Menschenwürde jedes Menschen verkündet, hat einen Ausländer zum leuchtenden Beispiel für die Nächstenliebe gemacht, den barmherzigen Samariter, und hat in der Bergpredigt aufgezeigt, dass leichtfertige Hassreden schnell Gewalt und Totschlag nach sich ziehen.  
Eine neue Untersuchung aus dem Raum der katholischen Kirche hat gerade pointiert analysiert: 
„Bei nahezu allen Themen, die in unserer Analyse berücksichtigt wurden, zeigen sich tiefgreifende Differenzen zwischen der Programmatik der Partei `Alternative für Deutschland` und der Sozialverkündigung der katholischen Kirche. …Die Unterschiede beziehen sich … auf die Vor-Zeichen und Optionen, unter denen sie behandelt werden.“  
Genau das ist es. Mag es auch in der einen oder anderen Thematik, die eine oder andere Über-schneidung geben, das Grundproblem ist, dass bei den Rechtspopulisten alles in ein anderes Koordinatensystem eingefügt wird. Nicht in das Koordinatensystem eines christlichen Menschenbildes oder der Werteordnung unseres Grundgesetzes, sondern in eine latent völkische Ideologie, die die Menschenrechte unter das Volksinteresse unterordnet. Das aber ist mit den Kirchen nicht zu machen. Einmal ist es in der Geschichte unseres Landes gelungen, Teile der Kirchen zu völkischem Denken zu verführen. Noch einmal wird dies nicht gelingen. 

IV. 
Europa stark machen
Eine weitere Aufgabe haben die Kirchen in der aktuellen bewegten Zeit. Die Vision vom Friedensprojekt Europa neu stark zu machen.  
Die europäische Christenheit hat schon vor längerer Zeit ihre Ziele für ein zusammenwachsendes Europa in einer „Charta Oecumenica“  formuliert. Das war im Jahr 2001. Jetzt ist es an der Zeit, diese Ziele verstärkt mit Leben zu füllen. Es sind jetzt keine Schön-Wetter-Ziele mehr, sondern Ziele, die verteidigt werden müssen. Ich erinnere an einige dieser Ziele: 

1.    Wir setzen die Botschaft von der Versöhnung gegen die Infragestellung eines verbindlich geeinten Europas. Und wir leben die Botschaft von der Versöhnung in vielen europäischen Partnerschaften.
Die europäischen Kirchen haben sich im Jahr 2001 in der Charta Oecumenica verpflichtet, die „Einig-ung des europäischen Kontinents“ zu fördern und „die Verantwortung Europas für die ganze Menschheit zu stärken, besonders für die Armen in der ganzen Welt“. (Leitlinie 7) Heute müssen die christlichen Kirchen dieses Ziel klar im Blick behalten und den Bürgerinnen und Bürgern Mut machen, sich weiter für das Friedensprojekt Europa einzusetzen, gegen all diejenigen die nur noch nationalen Egoismus predigen! Weltverantwortung gehört zum Wesen Europas. Nicht Abschottung! 

2.    Mit unserer Erinnerungskultur zeigen wir, dass wir aus Umkehr lernen können und moti-viert werden, heute die Menschenwürde und Menschenrechte aller  Menschen gleich zu achten. 
Die Charta Oecumenica betont die Schuldgeschichte der europäischen Christenheit. Sie erwähnt besonders die Spaltungen, Verfeindungen und Kriege, sowie den Missbrauch von Glaube und Kirchen für politische Interessen, die die Glaubwürdigkeit des christlichen Zeugnisses schwer be-schädigt haben. (Leitlinie 3) An diese gemeinsame Schuldgeschichte zu erinnern, heißt Hoffnung für die Zukunft zu gewinnen. Heute müssen die Kirchen dies offensiv vertreten gegenüber all denjenigen, die die Erinnerungskultur verächtlich machen!

3.    Wir setzen uns ein für die gleiche Würde aller Menschen und pflegen den interreligiösen Dialog. 
In der Charta Oecumenica verpflichten sich die europäischen Kirchen, „jedem Versuch zu wider-stehen, Religion und Kirche für ethnische oder nationalistische Ziele zu missbrauchen“ (Leitlinie 7). Sie bezeichnen es als ihre Aufgabe, „miteinander den  Dienst der Versöhnung auch für Völker und Kulturen wahrzunehmen“ (Leitlinie 8). Sie treten ein „für die absolute Gleichwertigkeit aller Men-schen“ (Leitlinie 8). Sie wollen den christlich-islamischen Dialog „auf allen Ebenen intensivieren“, „den Muslimen mit Wertschätzung … begegnen“ und „bei gemeinsamen Anliegen mit Muslimen zusammenarbeiten“ (Leitlinie 11). Sie wissen, dass die „Pluralität von religiösen und weltanschlichen Überzeugungen und Lebensformen …. ein Merkmal der Kultur Europas geworden (ist)“ und verpflichten sich, „die Religions- und Gewissensfreiheit von Menschen und Gemeinschaften anzuerkennen und dafür einzutreten, dass sie individuell und gemeinschaftlich, privat und öffentlich ihre Religion oder Weltanschauung im Rahmen geltenden Rechts praktizieren dürfen“ (Leitlinie 12). Heute müssen die Kirchen dieses Ziel verteidigen gegen alle Tendenzen, das Bemühungen um ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen als „Ideologie des Multikulturalismus“ zu diffamieren und einen religiösen Kulturkampf zu schüren!

4.    Wir engagieren uns für Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. Wir helfen ihnen, bei uns heimisch zu werden. 
Wer in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, der kennt die Probleme der Integration, der verharmlost sicher-lich nichts, aber der erlebt jeden Tag, wie bereichernd es ist, Menschen anderer Kultur den Weg in unsere Gesellschaft zu bahnen.
Die europäischen Kirchen haben in der Charta ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht, dazu beizutragen, „dass Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende in Europa menschenwürdig aufgenommen werden“ (Leitlinie 8). Wir dürfen uns als Kirchen nicht darin beirren lassen, dass dies unser spezifischer christlicher Auftrag ist!


V. 
Bewegt vom Geist der Freiheit und Verantwortung
Ich komme zum Schluss. 
Sie haben mich eingeladen, zu Ihrem 210. Jubiläumsfest zu sprechen. Ich habe die ehrenvolle Einla-dung auch deshalb gerne angenommen, weil ich glaube, dass nicht nur die Kirchen heute, in den bewegten Zeiten, eine wichtige Rolle zu spielen haben, sondern auch eine Gesellschaft wie das Casino zu Coblenz. In bewegten Zeiten ist das Casino entstanden. Damals haben sich Bürger gefunden, die sich aus dem Geist der Freiheit und der Verantwortung heraus für ihre Stadt einsetzen wollten. Bürgerschaftliches Engagement, aus der Mitte der Gesellschaft, das dafür einsteht, dass wir auch in Zukunft eine freiheitliche, von den ungeteilten Menschenrechten geprägte Gesellschaft bleiben, das ist es was wir heute in bewegten Zeiten brauchen. Wer viel im Ausland herumkommt – ich selbst habe dazu die Gelegenheit, weil ich unsere Partnerkirchen in aller Welt besuche, der kann nur Gott danken, wie wir bei uns leben können. Ja, wir leben geradezu auf einer Insel der Seligen. Aber wir dürfen nicht den Fehler machen, zu glauben, dass das selbstverständlich ist, ein Selbstläufer sozusagen. Leider glauben viele das immer noch, weil sie in ihrem Leben in Deutschland bisher nichts anderes erfahren haben. Aber diese Zeiten sind vorbei. Wir sind jetzt alle gefordert, im Geist der Freiheit und Verantwortung mit bürgerschaftlichem Engagement mit einzustehen für unsere bewährte Gesellschaftsform und ihre Grundwerte. 
Die Tradition, in der Sie als Casino zu Coblenz stehen, ist dafür eine gute Basis. 
Ich wünsche dem Casino zu Koblenz Gottes Segen für seinen weiteren Weg und danke für Ihre Aufmerksamkeit!

( 1. Zitiert nach: Marianne Heimbach-Steins (verantwortl.), Alexander Filipovic (verantwortl.), Josef Becker, Maren Behrensen, Theresa Wasserer, GRUNDPOSITIONEN DER PARTEI „ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND“ UND DER KATHOLISCHEN SOZIALLEHRE IM VERGLEICH. Eine sozialethische Expertise, Juni 2017, S. 74 und S. 82
 2. CHARTA OECUMENICA, Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa, Strassburg 22.4.2001)

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